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Eifersucht in (frisch) offenen Beziehungen manövrieren

Eine offene Beziehung führen kann ein Spiel mit dem Feuer sein.

Aaron und ich haben vor über einem Jahr den Entschluss gefasst unsere Beziehung zu öffnen. Nicht, weil uns miteinander etwas fehlt, sondern weil unsere Herzen uns in diese Richtung gelenkt haben.

Doch wir haben schnell bemerkt, dass eine offene Beziehung nicht so einfach ist, wie sie klingt und eine Menge Arbeit fordert. Vielleicht sogar noch mehr als eine monogame Beziehung. Es wurden in mir schnell Gefühle getriggert, die ich viele Jahre schon nicht mehr fühlen durfte. Gefühle, die mir meine tiefreichenden Ängste freigelegt und mich verwundbar gemacht haben. Ich habe viele Jahre damit verbracht, diese Ängste hinter einer dicken Haut und einer kalten Fassade zu verstecken.


Natürlich hätte ich jetzt wählen können, die offene Beziehung wieder zu schließen. Das hätte es sicher für den Moment einfacher gemacht, aber es hätte die Ängste nur wieder vergraben, statt sie in den Arm zu nehmen. Außerdem hätte es auch für mich bedeutet, wieder monogam zu leben und das war keine Option, denn ich liebe die Freiheit.


In dieser Zeit habe ich intensive innere Arbeit und Beziehungsarbeit zusammen mit Aaron geleistet. Weshalb ich dir im Folgenden ein paar Tipps mit auf den Weg geben möchte, die uns dabei geholfen haben, gemeinsam durch diese starken Gefühle der Eifersucht und Angst zu manövrieren.

 

Aber vorher möchte ich kurz mit zwei Mythen rund um offene Beziehungen aufräumen:


  • Menschen in offenen Beziehungen empfinden keine Eifersucht.

  • Wer Eifersucht empfindet, ist nicht für eine offene Beziehung geeignet.

 

Fast jeder Mensch empfindet in einer Beziehung früher oder später mal Eifersucht. Es ist eine natürliche und komplexe Emotion, die auftritt, wenn ein Mensch in einer Beziehung nicht mehr das Gefühl hat zu genügen. Das Gefühl der Eifersucht hat also immer etwas mit mir selbst zu tun – bin ich gerade unsicher? Wurden meine Ängste getriggert?


Menschen gehen unterschiedlich mit Eifersucht um. Wut, Angst und Traurigkeit sind sicht- und fühlbare Reaktionen. Aber es gibt auch subtilere Reaktionen wie Scham, Kontrollverhalten, Manipulation und falscher Stolz. Gerade letzteres sieht man häufiger verbreitet in offenen Beziehungen, á la „Eifersucht gibt es bei mir nicht. Wer Eifersucht empfindet, sollte keine offene Beziehung haben“ und dabei die Nase ganz weit oben getragen. Nur weil ein Mensch sagt, er fühle keine Eifersucht, heißt es aber nicht, dass dem wirklich so sei. Meist entsteht dieses Verhalten dadurch, dass die betreffende Person sich dafür schämt, dieses Gefühl zu fühlen und sich selbst in dem Glauben hält, dass Eifersucht und offene Beziehungen nicht Hand in Hand gehen können.

Damit will ich nicht sagen, dass es keine Menschen gibt, die keine Eifersucht empfinden, doch meist genügt schon ein genauerer Blick auf die Attitude, um dem falschen Spiel auf die Fährte zu gelangen.


Eifersucht ist normal und sagt rein gar nichts über eine Person aus. Eifersucht ist auch nicht gefährlich, weshalb es absolut machbar ist, Eifersucht zu empfinden und trotzdem eine offene Beziehung zu führen. Die Reaktion auf die Eifersucht macht den feinen Unterschied und so kann sie entweder eine Beziehung belasten oder sie daraus wachsen lassen. Eifersucht kann ein großartiger Lehrmeister sein, wenn wir lernen ihr und damit uns selbst zuzuhören.


Und deswegen nun zu den Tipps, um Eifersucht in offenen Beziehungen zu manövrieren. Tatsächlich können diese Tipps aber auch in monogamen Beziehungen hilfreich sein und den Horizont ggf. etwas erweitern.

 

Fühl das Gefühl der Eifersucht

 

Wenn uns ein intensives Gefühl überkommt, suchen wir schnell nach Ablenkung und versuchen die Gedanken dazu zu unterdrücken. Als mich das Gefühl der Eifersucht überkam, kamen mir Bilder, wie Aaron mit einer anderen Frau schläft und das tat wirklich physisch in meinem Herzen weh. Ich hatte Angst, nicht gut genug zu sein, Angst er würde mich für sie verlassen. Denn er beschrieb sie als eine wundervolle Frau, was die Situation für mich nicht gerade einfacher machte. In diesem Augenblick wünschte ich mir nur, die Notbremse zu ziehen und die offene Beziehung wieder zu schließen, um dieses Gefühl, in dem ich gerade steckte, augenscheinlich zu vermeiden. Ich habe also jeden Gedanken unterdrückt und weggeschoben, was sie, jedes Mal, wenn sie wieder hochkamen, mit einer immer größer werdenden Wucht zurückbrachte. Ich bekam Angst, daran zu ersticken und wusste, so kann ich nicht weitermachen.


Also ließ ich die Gefühle zu, ließ die Bilder durch meinen Kopf fließen. Eins habe ich durch Achtsamkeitstraining die letzten Jahre gelernt: ich bin nicht meine Gefühle, Gefühle sind temporär und haben rein gar nichts mit mir als Person zu tun. Wie ich auf sie reagiere, hat etwas mit mir als Person zu tun. Ob ich mich mit den Gefühlen identifiziere oder sie einfach sein lasse. Dabei hat es mir auch sehr geholfen, mich zu meinen Gefühlen zu bewegen - zu tanzen oder Yoga zu machen - und ganz bewusst zu atmen. Dadurch kann sich dieser Druck im Körper etwas verteilen, was ihn leichter zu bewältigen lässt.

Wenn dich also intensive Gefühle der Eifersucht überkommen, und ja die können sich teilweise sehr übermannend und nicht händelbar anfühlen, lass es zu, hol es nachhause.

Gesteh dir selbst ein, dass du jetzt gerade eifersüchtig bist, und belasse es dabei. Du musst nicht reagieren, du musst rein gar nichts tun. Es sagt nichts über dich aus, es ist nur ein Gefühl und Gefühle kommen und gehen wie Wolken am Himmel. Du kannst dir das Gefühl vorstellen wie ein kleines, inneres Kind, welches von dir einfach in den Arm genommen werden möchte. Du kannst jetzt den/die Erwachsene/n spielen und deinem inneren Kind die Nähe und das offene Ohr geben, welches es gerade braucht. 

 Wenn die starke emotionale Reaktion vorüber ist, setz dich hin und:


Reflektiere deine Gefühle und gönne dir ME-Time



Meistens erzählen Gefühle der Eifersucht uns etwas über uns selbst. Ich habe in dieser Situation z.B. gemerkt, dass ich mir selbst gar nicht die Erlaubnis gegeben habe, offen für wunderbare Männer da draußen zu sein und somit habe ich einen Mangel empfunden. Aaron hatte etwas, was ich nicht hatte, und ich wollte das auch.

Also was erzählt dieses Gefühl? Wo fühle ich mich gerade unsicher? Wo gebe ich mir selbst gerade nicht die Liebe, die ich mir wünsche? Wo fühle ich mich gerade nicht gesehen? Was fehlt mir an innerer Stärke? Was fehlt mir in meiner Beziehung? Wovor habe ich Angst? Welche unerfüllten Bedürfnisse liegen diesem Gefühl zugrunde?

Die Zeit allein ist wichtig zu priorisieren und kommt zwischen Dates, langen Gesprächen über Gefühle und dem Alltag manchmal etwas zu kurz. Aber es geht in erster Linie darum, dir selbst der Partner/die Partnerin zu sein, den/die du dir am allermeisten wünschst. Wie würdest du dir von deinem Partner wünschen, berührt zu werden? Würdest du dir kleine Freuden wünschen?


Es geht nicht darum, einen Partner zu ersetzen oder in einen falschen Stolz zu verfallen á la „Ich brauche niemanden, Bitch!“, sondern lediglich die Zeit mit dir allein so wertvoll wie möglich zu gestalten, dass du nicht in eine Co-Abhängigkeit zu deinem/r Partner/in verfällst. Denn ganz schnell machen wir die/den andere/n für unser Glück verantwortlich, warten ewig bis er/sie Zuhause ist, so dass wir endlich aufatmen und uns ganz fühlen können. Aber überleg mal, wie es ist, wenn dein/e Partner/in abends ein Date hat und du zuhause Däumchen drehst, weil du nichts mit deiner Zeit allein anzufangen weißt. Überleg im Gegenzug mal, wie es wäre, wenn du in dieser Zeit dir all das gönnst, was dir guttut. Ein heißes Bad, Kerzenschein, eine lange, sinnliche Selfpleasure-Time, oder einfach die Musik laut aufdrehen und alles raustanzen. In genau dieser Zeit kannst du für dich herausfinden, was du brauchst und was dir Freude bereitet.


Offene Kommunikation und WE-Time

 

Es ist wichtig, die Gefühle nicht nur allein, sondern auch gemeinsam zu reflektieren. Dabei ist es essenziell, wirklich radikal alle Karten auf den Tisch zu legen und nichts zu verschweigen, in der Angst, den Partner zu verletzen oder zu verärgern. Die liebevolle Absicht dahinter ist allerdings ausschlaggebend - liebevoll mit sich selbst und auch mit dem/r Partner/in. Ein Tipp dazu ist, dass jeder von euch 5 Minuten Redezeit bekommt, in der alle Gedanken und Gefühle ausgesprochen werden, so dass nichts ungesagt bleibt und der andere hört in dieser Zeit lediglich aufmerksam zu und bedankt sich am Ende für die Offenheit, wonach die Rollen einmal getauscht werden.

Ein offenes und ehrliches Gespräch kann hilfreich sein, einige unerfüllte Bedürfnisse anzusprechen und Grenzen zu setzen. Ihr müsst nämlich nicht voll Karacho die offene Beziehung durchboxen, nur weil gerade dieser Entschluss gefasst wurde. Geht den Schritt in eurem eigenen Tempo, angepasst an eure Bedürfnisse.

Nach diesem übermannenden Gefühl der Eifersucht habe ich mit Aaron darüber gesprochen und wir haben gemeinsam beschlossen, den Urlaub, den wir gerade vor unserer Nase hatten, ganz intensiv miteinander zu verbringen, da ich das Bedürfnis hatte, ihn eine Zeit lang ganz für mich allein zu haben. Kein Kontakt zu Liebschaften. In dieser Zeit haben wir viel über unsere Ängste, Wünsche und Bedürfnisse gesprochen, uns viel Zeit genommen, einander zu erkunden und neu kennenzulernen. Am Ende des Urlaubs war ich etwas wehmütig zu wissen, dass er bald wieder Kontakt mit ihr aufnehmen würde. Aber ich konnte mit einer anderen Kraft in die Zukunft blicken, da ich meine Bedürfnisse angesprochen und um eine kleine „Verschnaufpause“ gebeten habe.

Eifersucht ist nicht das Monster, das mich sich vorstellt. Es ist lediglich ein kleines, verletztes Kind, welches gesehen und geliebt werden möchte. Gemeinsam und jeder für sich ist es mit den richtigen Tools und den richtigen Gesprächen absolut möglich, sicher und schadenfrei durch Phasen der Eifersucht hindurch zu manövrieren. Und falls es mal nicht so funktioniert, meldet euch gern bei mir und ich unterstütze euch mit Rat und Tat dabei.

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